Stadtarchiv Althofen

Stadtarchiv Althofen am Salzburger Platz

Ausgewählte Archivalien und kleine Beiträge

In der reichen Fotosammlung des Stadtarchivs befindet sich ein Bild, das eine Gruppe von Menschen vor einem mit Plakaten übersäten Objekt vor dem Haus Salzburger Platz Nr. 3 zeigt. An Slogans erkennt man am Bild unter anderem „Wählet sozialdemokratisch“ und „Wählerversammlung […] die Gemeindewahlen“, weshalb es sich aus meiner Sicht um eine Kundgebung der Sozialdemokraten für eine Gemeindewahl handelt. Die Wahlsprüche „Ho-Ruck nach links“ und „Alles fürs Kind“ sprechen meiner Meinung nach dafür, dass es sich um die Gemeindewahl von 1932 handelt. Denn beide Ausdrücke sind als Wahlkampfplakate der Sozialdemokraten für das Jahr 1932 belegt.1 Zudem war „Ho-Ruck nach links“ das Motto der Sozialdemokraten für alle Wahlen im Jahr 1932, wie ein Aufruf der Partei aus diesem Jahr zeigt.2

 

Wahlkundgebung zur Gemeindewahl 1932
Wahlkundgebung zur Gemeindewahl 1932 [Quelle: Stadtarchiv Althofen]

 

In Althofen standen bei den Gemeindewahlen 1932 neben den Sozialdemokraten die sogenannte Wirtschaftspartei und die Nationalsozialisten zur Wahl. Die Wirtschaftspartei war ein Wahlbündnis der deutschnationalen Parteien Landbund und Großdeutsche Volkspartei, sowie der Christlichsozialen Partei.3 Listenführer war Franz Fattinger, Generaldirektor der Treibacher Werke,4 der für die Großdeutsche Partei zwischen 1921 und 1927 im Landtag saß.5 Die Deutschnationalen dürften im Bündnis ein starkes Übergewicht gehabt haben, wie es nicht nur die Listenführerschaft zum Ausdruck brachte. Denn bei ihrem einzigen selbständigen Antreten bei Gemeindewahlen erreichten die Christlichsozialen 1924 ein Sechstel der Stimmen von Landbund und Großdeutschen.6 1930 bei den Nationalratswahlen verschlechterte sich das Verhältnis auf eins zu sieben.7 Die Nationalsozialisten traten dem Bündnis von 1932 nicht bei, sehr zum Bedauern der Freien Stimmen, dem nach Hellwig „publizistische[n] Sprachrohr der Kärntner Deutschnationalen“;8 denn aus deren Sicht wirkte sich „eine solche Zersplitterung immer wieder zum Nachteil der national-bürgerlichen Richtung aus“.9

 

Tatsächlich verlor die Wirtschaftspartei im Vergleich zu 1928 drei Mandate und somit die absolute Mandatsmehrheit.10 Man erreichte 566 Stimmen (zehn Mandate), die Sozialdemokraten kamen auf 425 Stimmen (sieben Mandate), und die Nationalsozialisten auf 121 Stimmen (drei Mandate).11 Dennoch wählten am 12. Mai 1932 „nach schweren Geburtswehen“, wie es die Kärntner Zeitung bezeichnete, die Mandatare im vierten Wahlgang aus ihrer Mitte erstmals den „Hofrat in Ruhe“ Josef Messner von der Wirtschaftspartei, zum Bürgermeister.12

 

Auf Bundesebene begann aber ab März 1933 die von Engelbert Dollfuß geführte Regierung von Christlichsozialen, deutschnationalem Landbund und Heimatblock ihren „Staatsstreich auf Raten“, wie es der Historiker Hanisch nannte.13 An dessen Ende war mit der Maiverfassung von 1934 aus der „Republik Österreich“ der „Bundesstaat Österreich“ geworden,14 aus der Demokratie die Diktatur.15 Am Weg dorthin verbot die Regierung unter anderem schon Anfang Mai 1933 die weitere Durchführung von Gemeindewahlen.16 Im Juni 1933 wurde die NSDAP verboten.17 Im Juli 1933 erloschen, wie es im Kärntner Landesgesetz hieß, alle Mandate der Nationalsozialisten.18 Im Februar 1934 wurde die Sozialdemokratische Partei verboten; und auch ihre Mandate erloschen laut Gesetz.19 Dadurch verloren in Althofen die Hälfte der Gemeinderäte binnen weniger Monate ihre Mandate. Im März 1934 löste die Kärntner Landesregierung schließlich überhaupt die Gemeindevertretungen auf und ernannte sogenannte „Gemeindevertreter mit den Befugnissen des Bürgermeisters und des Gemeindevorstandes“, wie das Kärntner Tagblatt berichtete, wobei in Althofen Bürgermeister Messner nun zum Gemeindeverwalter ernannt wurde.20 Doch schon im Juli desselben Jahres wurde er von der Landesregierung „aus Gesundheitsrücksichten von seinem Amte enthoben“, wie der Kärntner Landbote berichtete, und durch Paul Endres, Tierarzt und „Vizebürgermeister“ von 1932,21 ersetzt.22

 

Die Wahlen von 1932 waren die letzten Gemeindewahlen für fast zwanzig Jahre. Als am 12. März 1950 wieder gewählt wurde, erhielt die SPÖ 843 Stimmen (neun Mandate), die ÖVP 274 Stimmen (zwei Mandate), und die Wahlpartei der Unabhängigen, die Vorläuferpartei der FPÖ, 365 Stimmen (drei Mandate).23

 

Günther Jannach, Oktober 2022 


Anmerkungen:
1: Plakat 1932a u. Plakat 1932b.
2: Das Kleine Blatt vom 27. März 1932, S. 2.
3: Auch in den Jahren 1920 und 1928 trat man gemeinsam an, wie aus den Zeitungen Freie Stimmen vom 19. April 1928, S. 5 und Kärntner Tagblatt vom 15. Juli 1920, S. 4 ersichtlich.
4: Freie Stimmen vom 8. April 1932, S. 6.
5: Karner 2005, S. 162.
6: Kärntner Bauernbote vom 12. April 1924, S. 1.
7: Arbeiterwille vom 11. November 1930, S. 4.
8: Hellwig 2009, S. 71.
9: Freie Stimmen vom 8. April 1932, S. 6.
10: 1928 erreichte man 13 Mandate laut der Zeitung Freie Stimmen vom 24. April 1924, S. 2.
11: Salzburger Chronik für Stadt und Land vom 25. April 1932, S. 3.
12: Kärntner Tagblatt vom 15. Mai 1932, S. 13.
13: Hanisch 1995, S. 300. Jene Nationalratssitzung vom 4. März 1933, die durch den Rücktritt der drei Präsidenten nicht ordnungsgemäß geschlossen worden war, war nach Tálos 2013, S. 6 „der konkrete Startpunkt für den unmittelbaren Prozess der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie“ durch die Regierung Dollfuß. Man regierte nun Mithilfe des Ermächtigungsgesetzes von 1917, so Tálos 2013, S. 45 weiter, und damit diese Vorgehensweise nicht vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, ließ man die christlichsozialen Richter ihr Amt Ende Mai niederlegen, sodass der Gerichtshof nicht mehr handlungsfähig war.
14: Im Mai 1934 gab die Regierung „im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht“, Österreich eine neue Verfassung „für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage“, wie es in Österr. BGbl. Bundeststaat 1934, Nr. 1 hieß.
15: Hanisch 1995, S. 313 bezeichnete die neue Staatsform aus meiner Sicht treffend als „Diktatur“.
16: Österr. BGBl., 1933 Nr. 72. Die Maßnahme war zunächst bis 31. Oktober 1933 befristet, wurde aber durch Österr. BGBl., 1933 Nr. 476 auf 31. März 1934 verlängert.
17: Österr. BGBl., 1933 Nr. 240.
18: Knt. LGBl. 1933, Nr. 37.
19: Österr. BGBl., 1934 Nr. 100.
20: Kärntner Tagblatt vom 8. März 1934, S. 3.
21: Freie Stimmen vom 18. Mai 1932, S. 6.
22: Kärntner Landbote vom 7. Juli 1934, S. 5.
23: Wahlstatistik 1950.

 

Quellen:
Arbeiterwille = Arbeiterwille - Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten, Graz 1890 bis 2001.
Das Kleine Blatt = Das Kleien Blatt, Wien 1927-1971.
Freie Stimmen = Freie Stimmen, Organ der Fortschrittspartei in Kärnten, Klagenfurt 1881-1938.
Kärntner Bauernbote = Kärntner Bauernbote – Bundesorgan des christlichen Bauernbundes für Kärnten, Klagenfurt 1914-1934.
Kärntner Landbote = Kärntner Landbote – Ein katholisches Wochenblatt für das Volk Kärntens, Klagenfurt 1894-1914.
Kärntner Tagblatt = Kärntner Tagblatt, Verlag St. Josefs-Verein, Klagenfurt 1905-1938.
Knt. LGBl. = Landesgesetzblatt für Kärnten 1918-1938.
Österr. BGBl. = Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Wien 1920-1934.
Österr. BGbl. Bundeststaat= Bundesgesetzblatt für den Bundesstaat Österreich, 1934-1938.
Plakat 1932a = Vorwärts AG (Hg.): Plakat - Ho-ruck nach links - Wählt sozialdemokratisch!, Wien 1932.
Plakat 1932b = N. E.: Plakat - Alles fürs Kind - Wählt sozialdemokratisch, Wien 1932.
Salzburger Chronik für Stadt und Land = Salzburger Chronik für Stadt und Land, Salzburg 1865-1938.
Wahlstatistik 1950 = Amt der Kärntner Landesregierung - Landesstelle für Statistik: Wahlstatistik -Gemeinderatswahlen 1950, Z 286/50, Klagenfurt 1950.

 

Literatur:
Hanisch 1995 = Hanisch. E.: Der lange Schatten des Staates – Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1995/2005.
Hellwig 2009 = Hellwig, V. = Der Sonderfall - Kärntner Zeitgeschichte 1918-2004/08, Klagenfurt 2009.
Tálos 2013 = Tálos, E,: Das austrofaschistische Herrschaftssystem - Österreich 1933-1938, Wien 2013.

Buchveröffentlichung

 

Im Oktober 2023 veröffentlichten wir unsere ersten zwölf Blogs als 62 Seiten starkes Buch „Matucaium – Beiträge des Stadtarchivs Althofen zur Geschichte Althofens“ beim Verlag Ploder, erhältich um 20 Euro bei Buch-Papier-Basteln-Spielwaren Schöffmann in der Kreuzstraße 24, 9330 Althofen oder bei Günther Jannach unter gjannach@edu.aau.ac.at.

Buchreihe Matucaium

Die um 1310 erbaute Burg  Althofen (Fronfeste)

Über uns

 

Seit 2008 macht es sich der gemeinnützige Verein Stadtarchiv Althofen zur Aufgabe, die noch erhaltenen Dokumente zur Geschichte der Stadtgemeinde Althofen zu sammeln, zu ordnen, zu digitalisieren und auf diese Weise zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das Stadtarchiv Althofen steht zudem der Bevölkerung als Anlaufstelle für historische und familiengeschichtliche Fragen zur Verfügung.
Getragen und unterstützt wird der Verein von Mitgliedern, ehrenamtlichen Mitarbeitern und der Stadtgemeinde Althofen.

Kontakt

 

Stadtarchiv Althofen

Salzburger Platz 6

9330 Althofen

 

Obfrau Inge Lebl

albert.lebl@chello.at

Steinbogenbrücke von 1782 in Epritz

Impressum

Medieninhaber

Stadtarchiv Althofen 
Sitz: Salzburgerplatz 6, 9330 Althofen
Zustellanschrift: Güpferlingstraße 33/10, 1170 Wien 
ZVR: 844592267

Obfrau: Inge Lebl
Kontakt: albert.lebl@chello.at

Blattlinie
Das Stadtarchiv Althofen ist überparteilich, überkonfessionell und unabhängig. Es verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Das Medium dient zur Information über Tätigkeiten des Vereins und über die Geschichte der Stadtgemeinde Althofen für die interessierte Öffentlichkeit. 

Vereinszweck

Vereinszweck ist, die noch erhaltenen Dokumente zur Geschichte der Stadtgemeinde Althofen zu sammeln, zu ordnen, zu digitalisieren und auf diese Weise zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Datenschutzerklärung

 

In dieser Datenschutzerklärung informieren wir über den Umgang mit personenbezogenen Daten beim Besuch der Seite https://stadtarchiv-althofen.at/. Die Seite ist ident mit https://www.stadtarchiv-althofen.at/.

 

Datenschutzverantwortliche
Inge Lebl
Güpferlingstraße 33/10
1170 Wien 
E-Mail: albert.lebl@chello.at

 

Hosting Anbieter
Die Seite https://stadtarchiv-althofen.at/ wird bei folgendem Anbieter gehostet:
domaintechnik.at / Ledl.net GmbH
Lederergasse 6, 5204 Straßwalchen
UID: ATU 61529037

Die Datenschutzerklärung des Hosting Anbieters finden Sie hier.

 

Personenbezogene Daten
Personenbezogene Daten werden von der Seite https://stadtarchiv-althofen.at/ weder erfasst noch verarbeitet noch gespeichert.

 

Hosting Anbieter Server-Logdateien
Die in den Server-Logdateien des Hosting Anbieters (also in den Aufzeichnungen des Seitenbesuches des Besuchers beim Hosting Anbieter) gespeicherten Informationen erlauben laut Datenschutzerklärung des Hosting Anbieters (aufgerufen am 4. August 2022) „keinen Rückschluss auf einen bestimmten Besucher oder eine bestimmte Person“, und es findet „keine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der EU DSGVO statt.“

 

Cookies
Die Seite https://stadtarchiv-althofen.at/ verwendet nur das zustimmungsfreie Cookie PHPSESSID, das keine Benutzerdaten speichert, sondern einer Sitzung (Session) einen Hashwert (also einen Funktionswert, dessen Eingangswert nicht wieder berechnet werden kann) zuweist. Jeder Besucher der Seite https://stadtarchiv-althofen.at/ kann zudem das Speichern von Cookies auf seinem Browser deaktivieren.

 

Web Analyse Tools
Der Hosting Anbieter verwendet laut seiner Datenschutzerklärung (aufgerufen am 4. August 2022) die Open Source Webanalyse Software Matomo, wobei die „Speicherung der datenschutzfreundlich anonymisierten, personenbezogenen Daten“ der Besucher und Nutzer „nur auf eigenen Systemen“ in Österreich stattfindet, und die „Identifizierung eines einzelnen Nutzers oder dessen Verhalten […] auf Basis der gesammelten Daten nicht möglich“ ist.

 

Rechte und Kontaktmöglichkeiten zu Fragen zur Datenschutzerklärung
Als von Datenverarbeitung Betroffener haben Sie laut EU DSGVO die Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung, Datenübertragbarkeit, Widerruf und Widerspruch hinsichtlich ihrer gespeicherten Daten. Wenn Sie annehmen, die Verarbeitung Ihrer Daten verstößt gegen das Datenschutzrecht, wenden Sie sich bitte an die oben erwähnte Datenschutzverantwortliche oder die Datenschutzbehörde.