Um 300 v. Chr. kamen die Kelten nach Kärnten,1 und man lässt die sogenannte Keltenzeit typischerweise mit der römischen Eroberung Kärntens 15 v. Chr.2 enden.3 An der Geschichtstafel am Rathaus steht nun, dass es „früheste [keltische] Ansiedlungen oberhalb des Kalvarienberges“ gäbe.4
Die These einer keltischen Höhensiedlung in Althofen geht auf Elfriede Amberger (1905 – 1985) zurück, die 1968 schrieb, „in Althofen muss hinter der Kalvarienberg-Kreuzkapelle einst eine keltische Bergsiedlung gewesen sein“.5 Dort, „nördlich vom heutigen oberen Markte“, so Amberger weiter, wo diese Siedlung „gewesen sein dürfte“, ließen „Unregelmäßigkeiten des Bodens […] auf eine vorgeschichtliche Siedlung schließen“.6 Als weitere „Anhaltspunkte für diese Höhensiedlung“ der Kelten führte Amberger schließlich noch drei Funde an:
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erstens einen Fund römischer Münzen aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr., der nach Größer „an dem Felsenabhang, östlich vom Wege, der Althofen mit Guttaring verbindet“, gemacht wurde,7
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zweitens einen römischen Grabstein, vermauert in der Friedhofsmauer der Pfarrkirche,8 und
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drittens ein römisches Webstuhlgewicht, dass 1900 nach Jaksch „an der Südmauer der Befestigung von Althofen, nahe bei der Frohnfeste“ gefunden wurde.9
Allen diesen Anhaltspunkten ist gemein, dass sie nicht aus keltischer Zeit stammen; eine keltische Höhensiedlung müsste also von einer römischen Höhensiedlung rückgeschlossen werden. Diese römische Höhensiedlung könnte aber nur von diesem einem Webstuhlgewicht erschlossen werden.
Denn
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erstens stammte der Münzfund nicht vom Kalvarienberg, sondern vom Felsenabhang, der östlich vom Weg von Althofen nach Guttaring liegt, und
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zweitens wurde jener Grabstein nachträglich in die Friedhofsmauer eingesetzt, da die Mauer nicht aus römischer Zeit stammt. Der Grabstein wird aus meiner Sicht eher von dort kommen, wo in Althofen tatsächlich römische Gräber entdeckt wurden, nämlich am Bahnhof, beim ehemaligen Sandwirt und beim heutigen Flex-Werk.10 Dies ist aus meiner Sicht umso plausibler, da ja ein Dekret von 1828 verordnete, dass „alte Inschriftensteine […] bey oder an der dem Fundorte nächstgelegen Kirche, in eine Außenmauer eingemauert […] werden“ sollten.11
Die von Amberger beschriebenen „Unregelmäßigkeiten des Bodens“ lassen aus meiner Sicht aber nun auch nicht zwingend „auf eine vorgeschichtliche Siedlung schließen“, wie dies Amberger zumindest andeutete.12 Denn zu einem solchen Schluss braucht es wohl eine archäologische Untersuchung, um überhaupt die Ursache solcher Unregelmäßigkeiten festzustellen, und, so die Ursache nicht natürlich ist, zu datieren. Eine solche Untersuchung ist aber leider heute nicht möglich, da die Stelle, die Amberger meinte, nicht bekannt ist.
Zusammenfassend stützt sich also die These einer Keltensiedlung am Kalvarienberg einzig auf das römische Webstuhlgewicht, das bei der Fronfeste gefunden wurde.13 Aus diesem Fund aber eine römische Siedlung und zusätzlich eine keltische Vorgängersiedlung ableiten zu wollen, erscheint mir zu spekulativ.14
Will man aber eine keltische Siedlung in Althofen annehmen, so wird man diese aus heutiger Sicht wohl in den Bereich Bahnhof, Flex-Werk und dem Ortsteil Sand legen müssen. Denn dort siedelte man bereits in vorkeltischer Zeit, wie ein Hügelgrab beim Bahnhof aus der Hallstattzeit zeigt.15 Und dort siedelte man auch in nachkeltischer Zeit, wie man an den römerzeitlichen Gräbern am Bahnhof, beim heutigen Flex-Werk und beim ehemaligen Sandwirt erkennt.16
Vielleicht ging aber Amberger als Kind ihrer Zeit einfach nur davon aus, dass Kelten grundsätzlich Höhensiedlungen bevorzugten. Denn in der Tat konzentrierte sich die Archäologie nach Trebsche zunächst auf keltische Höhensiedlungen, keltische Flachlandsiedlungen rückten erst seit den 1970er in den Blickpunkt der Forschung.17
Günther Jannach, Feber 2022
Juni 2023: Ergänzung Fußnote 6.
Anmerkungen
1: Strobel 2015, S. 79.
2: Flor., epit. 2, 21 f.
3: So nahm auch Herwig Wolfram als Herausgeber der mehrbändigen Österreichischen Geschichte das Jahr 15 v. Chr. als Grenze zwischen den ersten beiden Bänden.
4: Geschichtstafel am Rathaus: „3. Jhdt. v. Chr.: Kelten […] kommen in die Gegend um Althofen. Früheste Ansiedlungen oberhalb des Kalvarienberges“. Auch auf der Geschichtstafel am Hornturm heißt es Amberger / Riegler 1983, S. 1 zitierend, „die Keltensiedlung lag [im Markbereich] auf der Höhe des Berges“.
5: Amberger 1968, S. 8. Bei Amberger / Rieder 1983, S. 1 heißt es: „Die Keltensiedlung lag [im Marktbereich] auf der Höhe des Berges“.
6: Amberger 1963, V 3.
Ergänzung Juni 2023: Bei Amberger / Rieder 2023, S. 14, einer Abschrift ihres Textes von 1983, heißt es: „Weitere [keltische?] Kleinfunde aus geschmiedetem Eisen, wie sie bei Hausbauarbeiten gefunden wurden, […] lassen auf eine Besiedelung der Kelten im Marktbereich schließen“. Weder die Textstelle noch die Aussage selbst sind jedoch im Original von Amberger / Rieder 1983 vorhanden. Wie nun dieser Satz in die Abschrift gelangte, und ob er sich daher überhaupt auf Althofen bezieht, erschließt sich mir nicht. Bis heute gibt es aus meiner Sicht jedenfalls keine wissenschaftlichen Publikationen zu keltischen Funden aus Althofen.
7: Größer 1898, 59, Fußnote 1. Aus meiner Sicht meinte Amberger 1963, V 3 genau jenen Fund von 1885, als sie von einer „mit römischen Münzen gefüllte[n] Urne, entdeckt vor 80 bis 100 Jahren“ sprach.
8: CIL III, 5025.
9: Jaksch 1901, S. 55.
10: Größer 1899, S. 216; Größer 1900, S. 214 u. Piccottini 1972, S. 56. Für Piccottini 2008, S. 22 ist die Herkunft der Grabsteine bei der Pfarrkirche von jenen römischen Gräbern „jedenfalls nicht unmöglich“.
11: Dekret 1828.
12: Amberger 1963, V 3.
13: Außer diesem Webstuhlgewicht sind nach Piccottini 1989 und Piccottini 2008, S. 24 auch keine anderen Funde vom Bereich des Oberen Markts bekannt.
14: Auch für Piccottini 2008, S. 21 ist, auch wenn man „auf der […] Anhöhe des ‚Oberen Marktes‘ der Stadt […] Reste einer römerzeitlichen Vorgängersiedlung“ erwarten würde, „doch […] das Gegenteil der Fall“.
15: Jacksch 1901, S. 55. Gleirscher 2005, S. 100 f. geht von einem Gräberfeld aus, denn meist werden ganze Hügelfelder gefunden, und für Althofen sei „Ähnliches zu erwarten“. Die Siedlung mag in der näheren Umgebung gewesen sein, denn „in einigen Fällen liegt das Gräberfeld kaum 100 Meter vom Hallstattdorf entfernt“, wie Krawarik 2006, S. 20 festhält.
16: Größer 1900, S. 214, Piccottini 1972, S. 56 u. Größer 1899, S. 216. Römische Gräber befanden sich nach Hesberg 2001, S. 200 in der Regel an Ausfallstraßen eines Ortes.
17: Trebsche 2012, 131.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
Amberger 1963 = Amberger, E.: Chronik Althofen.
Amberger 1968 = Amberger, E.: Keltenstraße. In: Legende zu den Straßen-, Wege- und Plätzebezeichnungen im Ortsbereich der Marktgemeinde Treibach, S. 8, Althofen 1968.
CIL = Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1862 ff.
Dekret 1828 = Hofkanzleidekret an die Länderstellen Illyrien, Küstenland und Tirol, 30. Juni 1828.
Flor., epit. = Florus: Abriß der Römischen Geschichte – Übersetzt von Wilhelm Pahl, Wien 1834.
Geschichtstafel am Hornturm = Geschichtstafel am Hornturm (Aussichtsturm) Althofens.
Geschichtstafel am Rathaus = Geschichtstafel am Rathaus Althofens.
Literatur
Amberger / Rieder 1983 = Amberger, E. / Riegler, E.: Althofen–Treibach in alten Ansichten, Zaltbommel 1983.
Amberger / Rieder 2023 = Die Geschichte von Althofen von Frau Elfriede Amberger und Frau Edith Rieder. In: Worofka, C.: Althofen – Eine Zeitreise in Bildern. Althofen 2023, S. 14-27 = Amberger / Rieder 1983.
Gleirscher 2005 = Gleirscher, P.: Hügelgräber und Herrschaftsbereiche im Ostalpenraum. In: Arheološki vestnik 56, 99–112, Laibach 2005.
Größer 1898 = Größer, M.: Notizen 3. In: Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmal, 58-59, Wien 1898.
Größer 1899 = Größer, M.: Notizen 161. In: Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale, Wien 1899, 216.
Größer 1900 = Größer, M.: Notiz 123. In: Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Wien 1900, 214-215.
Hesberg 2001 = Hesberg, H.: Grabbauten. In: Fischer, T. (Hg.): Die römischen Provinzen – Eine Einführung in ihre Archäologie, Stuttgart 2001, 200-204.
Jaksch 1901 = Jaksch, A.: Kleine Mttheilungen, 4. In: Carinthia I, 54-55, Klagenfurt 1901.
Krawarik 2006 = Krawarik, H.: Siedlungsgeschichte Österreichs, Wien 2006.
Piccottini 1989 = Piccottini, G.: Archäologischer Atlas von Kärnten, Klagenfurt 1989.
Piccottini 1972 = Piccottini G.: Althofen. In: Bundesdenkmalamt (Hg.): Fundberichte aus Österreich - Berichte 1971, Wien 1972, 56.
Piccottini 2008 = Piccottini, G.: Römerzeitliches in und um Althofen. In: Geschichtsverein für Kärnten, Bulletin 2008, 2, 21–24, Klagenfurt 2008.
Strobel 2015 = Strobel, K.: Das frühe Stammesreich der keltischen Noriker in Kärnten – Ein Konstrukt der Wissenschaftsgeschichte. In: Lafer, R. / Strobel, K. (Hg.): Antike Lebenswelten - Althistorische und papyrologische Studien, 28-152, Berlin 2015.
Trebsche 2012 = Trebsche, P.: Größe und Wirtschaftsstruktur latènezeitlicher Flachlandsiedlungen im österreichischen Donauraum. In: Zborník Slovenského Národného Múzea, Archeológia 22, 131–167, Bratislava 2012.