1964 merkte der Historiker Hermann Wiessner (1892 – 1992) in seinem Standardwerk über Kärntner Burgen und Schlösser zu Töscheldorf an: „Das heutige Schloss stammt erst aus dem 17. Jh. und wurde von dem Eisengewerke Georg Ortolph Gschwind v. Böckstein erbaut“.1 Diese These wurde zur Standardthese, wie ein Blick auf die Literatur zu Töscheldorf zeigt.2
Töscheldorf (Töshldorff) 1679/80 vor seiner barocken Umgestaltung um 1730. [Quelle: Österreischische Nationalbibliothek: Valvasor, J.: Topographia Archiducatus Carinthiæ modernæ, Wagensperg 1681, URL, http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ26005370X, abgerufen September 2024.]
Mir sind nun zu Georg Ordolf Gschwind nur drei Quellen aus den 1650ern bekannt.3 Aus diesen kann man aber nur schließen, dass ihm das Schloss gehörte, weil er sich selbst beispielsweise „Georg Ordolph Gschwindt von Pekhstain auff Teschldorf“ nannte.4 Aufgrund welcher Quellen oder Literatur Wiessner zum Schluss kam, Gschwind hätte das Schloss erbaut, führte er in seinem Werk nicht aus. Allerdings sprechen jene Quellen, die ich kenne, in meiner Deutung gegen seine These, da sie Siegfried Steirer als Erbauer im Jahr 1597 nahelegen, wie ich folgend zeigen möchte.
1679/16805 erstellte Johann Valvasor eine Abbildung von Töscheldorf,6 die das Schloss noch in einem Zustand ohne die Rankenstuckaturen bei den Fenstern, ohne den Fassadenvorsprung (Risalit) mit Giebel an der Front und ohne den auf vier Säulen ruhenden Balkon zeigt. Man sieht dafür aber einen angebauten Rundturm und ein über dem Eingang angebrachtes gekoppeltes Rundbogenfenster, typische Zeichen für einen Schlossbau der Renaissance.7 Valvasor überlieferte noch, dass zu seiner Zeit das Schloss im Besitz von Johann Martin Gschwind (1645 – 1721)8 war.
Auf Valvasors Darstellung sieht man aber anstelle der heute auf einem kleinen Plateau stehenden Schlosskapelle eine Gartenanlage. Das mag eigentlich nicht wundern, da aus dem Jahr 1729 der Inhalt eines Berichts des Erzpriesters von Friesach vom 2. Juni 1729 erhalten ist, wonach der Erzpriester erläuterte, dass „das oratorium privatum, od. Schloss Capelle zu Töschldorff des Herrn Baron von Ottenfels Gschwindt sauber aufgepaut, ab omnibus profanis usibus [von allen profanen Dingen] separirt und in gutem Stand gesetzt worden sey.“9 Ich deute den Bericht in der Art, dass sich Wolfgang Franz Ottenfels (1671 – 1751)10, der Töscheldorf 1721 von Johann Martin Gschwind geerbt hatte, sich 1729 oder kurz davor eine private, also nicht offiziell geweihte Kapelle (oratorium privatum) in Töscheldorf errichtete.11
Dieser Deutung widerspricht aber scheinbar eine Inschrift am Gebälk des Portals zur Kapelle: „Sigfridus Steyrer aedificavit a[nn]o Chr[isti] 1597“, also „Siegfried Steirer errichtete [es] im Jahr 1597“.12 Dieses gesamte Portal mit Inschrift passt nun nicht recht zum Stil der Kapelle,13 weshalb beispielsweise der Kunsthistoriker Siegfried Hartwagner (1916 – 2000) meinte, dass es sich bei der Kapelle um einen im frühen 18. Jahrhundert „weitgehend neu erstellte[n]“ Bau handle, wobei vom „Urbau“ sich nur das Portal erhalten habe.14 Der Kunsthistoriker Wilhelm Deuer (*1956) hingegen schloss aus der Inschrift, dass „der Saalbau der Kapelle […] 1597“ erbaut wurde.15 Gegen Hartwagners These spricht aus meiner Sicht, dass bei Valvasor dieser Urbau nicht zu sehen ist; gegen Deuers These einerseits, dass bei Valvasor der Saalbau nicht zu sehen ist, andererseits aber auch, dass Wolfgang Franz Ottenfels die Kapelle ja 1729 „sauber aufgepaut“ hatte.
Diesen Widerspruch zwischen der Entstehung der Kapelle und der Jahreszahl der Inschrift kann man aus meiner Sicht leicht lösen, wenn man die Inschrift nicht als zur Kapelle, sondern zum Schloss gehörig ansieht.
Dass sich die Inschrift zunächst überhaupt auf ein Gebäude in Töscheldorf bezieht, zeigt sich meiner Meinung daran, dass Siegfried Steirer, 1607 als „Seyfried[…] Steyrer zu Töscheldorff“ bezeugt,16 der Ehemann von Maria Steirer war,17 welche bis 1628 den Hof Töscheldorf besaß.18 Und aus bauhistorischer Sicht spricht nichts dagegen, das Schloss in das Jahr 1597 zu datieren, da es sich um „einen Edelmannsitz in der typischen hoflosen Rechteckform“ handelt, „wie er sich seit dem frühen 16. Jahrhundert […] in ganz Kärnten mit vielen Beispielen durchsetzte“, wie der Kunsthistoriker Wilhelm Deuer (*1956) darlegte.19 So mag also die Inschrift oder das gesamte Portal einst zum Schloss gehört haben und wurde später an der Kapelle angebracht: vielleicht bereits beim Bau der Kapelle, vielleicht bei der historistischen Umgestaltung im 19. Jahrhundert.20
Eine solche These erklärt aus meiner Sicht in einfacher Weise, warum die Kapelle bei Valvasor fehlt, und warum der Erzpriester von Friesach 1729 meinte, man habe die Schlosskapelle sauber erbaut.
Günther Jannach (Oktober 2024)
Anmerkungen
1: Wiessner 1964, S. 101.
2: Für Hartwagner 1977, S. 243 entstand „der heute bestehende Schlossbau […] im 17. Jh.“ und „der Bauherr“ sei „der Eisengewerke Georg Ordolph Gschwindt“ gewesen. Nach Dehio 2001, S. 960 sei das Schloss „erb[aut] im 17. Jh. von dem Eisengewerken Georg Ordolph Schwindt von Böckstein“. Nach Deuer 2008, S. 50 habe „vermutlich der Eisengewerke Georg Ordolph Gschwind […] in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ das Schloss als „Edelmannssitz“ errichtet.
3: Urkunde v. 1655 (KLA), Urkunde v. 1655 (KLA) u. Urkunde v. 1659 (KLA).
4: Urkunde v. 1654 (KLA).
5: Nach Oražem-Stele 2000, S. 524 bereiste Valvasor für seine Topographia „im Jahre 1679/1680 alle Städte, Märkte, Klöster und Schlösser des damaligen Kärntens“.
6: Valvasor 1688, S. 244.
7: Nach Deuer 1996, S. 149 f. sind ein architektonischer Grundtyp der Renaissance „der hoflose Rechteckbau mit durchgängiger Querlaube“, sowie als Dekorationsform unter anderem das gekoppelte Rundbogenfenster. Des Weiteren sei ein angebauter Rundturm nach Deuer 1996, S. 189 einer der „Wesenszüge der Kärntner Renaissancearchitektur. Alle diese Merkmale finden sich bei der Abbildung Töscheldorfs bei Valvasor, weshalb ich Töscheldorf als ursprüngliches Renaissanceschloss ansehe.
8: Lebensdaten nach Wurzbach 1859, S. 402.
9: Bischof v. Lavant 1729 (KLA).
10: Nach Carinthia 1833, S. 170 wurde „Wolfgang Franz von Ottenfels […] im Jahr 1671 geboren“, nach Wurzbach 1870, S. 131 ist „Wolf Franz […] von Ottenfels-Gschwind gest[orben am] 15. Februar 1751“.
11: Nach Carinthia 1833, S. 179 f. verdankte Wolfgang Franz Ottenfels das meiste seiner Besitzungen, darunter auch Töscheldorf, „seinem Oheim Johann Martin Gschwind, welcher ihn laut Testament […] zum Universalerben einsetzte“.
12: Leitner 2008, Nr. 587.
13: Ginhart 1931, S. 76 bezeichnete die Kapelle überhaupt als „modern“, Wiessner u. Seebach 1977, S. 132 setzen ein „vielleicht“ vor, der Dehio 2001, S. 906 ein „(?)“ hinter eine Errichtung im Jahr 1597.
14: Hartwagner 1977, S. 244. Hartwagners Datierung des Umbaus mit „1719“ ist aus meiner Sicht eine Verschreibung für „1729“.
15: Deuer 2008, S. 52.
16: Urkunde v. 1607 (KLA).
17: Nach Pantz 1936, S. 103 heiratete Anna Mägerl „den Seyfrid Steyrer zu Töschldorf“.
18: 1628 stellte Maria, die als Protestantin Kärnten verlassen musste, nach Loserth 1907, Nr. 2496 ein Gesuch, dass „sie bei ihrem Abzug ihren bei Althofen liegenden Hof Töscheldorf nicht verkaufen, sondern […] einem Katholiken verpachten“ dürfe.
19: Deuer 2008, S. 50.
20: Deuer 2008, S. 51 ging von einer „Barockisierung [des Schlosses] um 1730“ aus, was mit dem Bau der Kapelle zusammenfiele. Aus dem 19. Jahrhundert stammen nach Hartwagner 1977, S. 244 das Bogenfeld mit Madonna über dem Portal, das „neug[otische] Maßwerkfenster“, und „der die Kapelle umziehende Blendbogenfries“.
Quellen und Literatur
Bischof v. Lavant 1729 (KLA) = Kärntner Landesarchiv, Sammlung Geschichtsverein, fasc. 138: Brief von Bischof Joseph Oswald v. Lavant an den Erzpriester von Friesach, 17. Juni 1729.
Carinthia 1833 = N. N.: Die Freiherren von Ottenfels-Gschwind. In: Carinthia, Nr. 44, Klagenfurt 1833, S. 179-181.
Dehio 2001 = Bacher, E. et al.: Dehio – Handbuch Kärnten, Wien 2001.
Deuer 1996 = Deuer, W.: Architektur. In: Kienzl, B. / Deuer. W.: Renaissance in Kärnten, Klagenfurt 1996, S. 148 - 209.
Deuer 2008 = Deuer, W.: Töscheldorf und Treibach. In: Geschichtsverein für Kärnten (Hg.): Bulletin 2008, Hbd. 2, Klagenfurt 2008, S. 25 – 53.
Ginhart 1931 = Ginhart, K.: Die Kunstdenkmäler des politischen Bezirkes St. Veit – Gerichtsbezirke St. Veit, Althofen u. Eberstein, Klagenfurt 1931.
Hartwagner 1977 = Hartwagner, S.: Kärnten – Der Bezirk St. Veit an der Glan, Salzburg 1977.
Leitner 2008 = Leitner, F.: Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, Wien 2008.
Loserth 1907 = Loserth, J. (Hg.): Fontes rerum Austriacarum - Akten und Korrespondenzen zur Geschichte der Gegenreformation in Innerösterreich unter Ferdinand II., Wien 1907.
Oražem-Stele 2000 = Oražem-Stele, M.: Bibliotheca Valvasoriana - Der Katalog der. Bücherei des Johann Weichard von Valvasor. In: Carinthia I, Klagenfurt 2000, S. 321 – 330.
Pantz 1936 = Pantz, A.: Denksteine in und an den Kirchen zu St. Veit an der Glan. In: Carinthia, Klagenfurt 1936, S. 92 – 117.
Urkunde v. 1607 (KLA) = Kärntner Landesarchiv: Kärntner Landstände, Klagenfurt 28. August 1607.
Urkunde v. 1654 (KLA) = Kärntner Landesarchiv: AUR 457-B-321 St, Klagenfurt 29. November 1654.
Urkunde v. 1655 (KLA) = Kärntner Landesarchiv: AUR 418-B-A 3126 St, 20. Jänner 1655.
Urkunde v. 1659 (KLA) = Kärntner Landesarchiv: 27-B-251 St, 22. April 1659.
Valvasor 1688 = Valvasor, J.: Topographia archiducatus Carinthiae, Nürnberg 1688.
Wiessner 1964 = Wiessner, H.: Burgen und Schlösser um Friesach, St. Veit, Wolfsberg, Wien 1964.
Wiessner u. Seebach 1977 = Wiessner, H. / Seebach, G.: Burgen und Schlösser um Friesach, St. Veit, Wolfsberg, Wien 1977.
Wurzbach 1859 = Wurzbach, C.: Gschwind Freiherr von Pockstein, Johann Martin. In: Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich, Wien 1859, S. 402 f.
Wurzbach 1870 = Wurzbach, C.: Zur Genealogie der Familie Ottenfels-Gschwind. In: Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich, Wien 1870, S. 131 f.