Seit 1871 ist der Ort Töscheldorf Bestandteil der Gemeinde Althofen,1 und er besticht heute durch das wunderbare Schloss. Dieser Artikel wird sich aber mit Fragen der Frühgeschichte des kleinen Ortes beschäftigen.

Schlosskapelle in Töscheldorf (1986) [Quelle: SAA: Dig. Slg. A. Gaggl].
Namenkundliches
Mundartlich heißt der Ort „Tėscheldorf“, wie der Sprachforscher Eber-hard Kranzmayer (1897 – 1975) feststellte;2 eine Form, die als „Teschel-dorf“ auch in einer Schenkung aus dem Jahr 1263 und einem Kaufbrief aus dem Jahr 1369 bezeugt ist.3 Kranzmayer leitete den Namen von ei-nem slawischen Personennamen wie Tešila oder Tešina ab, ebenso der Sprach- und Ortsnamenforscher Heinz-Dieter Pohl (*1942), der ihn „zu einem mit Těchъ / Těša beginnenden sl[awischen] Personennamen“ stellte.4 Der Ortsname bedeutet nach Pohl also Hof5 des Těchъ (oder Těša).
Die heutige Form mit ö ist aus meiner Sicht aufgrund der mundartlichen und der urkundlichen Form Tescheldorf eine Hyperkorrektur, bei der Schreiber ab dem 15. Jahrhundert im Wissen, dass im Bairischen e für schriftsprachliches ö gesprochen wird (also beispielsweise schen statt schön),6 Töscheldorf schrieben, nicht wissend, dass von der Bedeutung des Wortes „Tescheldorf“ die korrekte Schreibung gewesen wäre.
Geschichtliches
In seiner Auswertung des erstmaligen Auftretens von Ortsnamen in Kärnten kam Kranzmayer zu dem Schluss, dass -dorf-Namen spätestens seit dem 9. Jahrhundert in Kärnten auftraten,7 dass aber „die possessive Bildungsweise mit ves [= dt. -dorf] spätestens um 1100“ erlösche.8 Wertet man die ersturkundliche Erwähnung von 156 Kärntner Ortsnamen mit dem Grundwort Dorf aus, so sind die Hälfte bereits vor 1174 erfolgt, ge-schieht eine Ersterwähnung im Schnitt im Jahr 1195, und fallen über zwei Drittel in den Zeitraum zwischen 1050 und 1300.9 Da nun ersturkundli-che Erwähnung typischerweise zufällig nach(!) der Entstehung der Orte aufscheinen, darf man aus meiner Sicht aufgrund der Wahrscheinlichkeit annehmen, dass auch Töscheldorf wohl etwa 1100 und 1350 entstand, also im Rahmen der sogenannten Binnenkolonisation.10
Historisch fassbar wird Töscheldorf im Jahr 1263. Denn damals schenkte der Kärntner Herzog Ulrich dem „Herrn des Spitals der Heiligen Maria in Cerwald [Spital am Semmering] […] alle Güter (bona) und Leute im Dorf Töscheldorf (in villa Tescheldorf)11 von unserem Gut (predium)“, wie es in der Urkunde heißt.12 Im Jahr darauf schenkte er dem Spital noch „zwei benachbarte Huben (mansi) auf den neuen Äckern im Amtsbezirk Brugga (officium Prukke), die an die Güter [bona] des […] Spitals bei Töscheldorf (apud Tescheldorf) angrenzen“.13
Nun setzte aber im Jahr 1906 der Historiker August Jaksch (1859 – 1932) kommentarlos das officium Prukke mit Bruck an der Mur gleich und Tescheldorf in die Nähe des steirischen Ortes.14 Daraus müsste aber aus meiner Sicht folgen, dass jenes Tescheldorf nach Jaksch im Spätmittelalter, wie zahlreiche andere Orte in der Steiermark,15 aufgegeben worden wäre, da es heute ja einen Ort solchen Namens bei Bruck nicht gibt. Der Histo-riker Hans Pirchegger (1875 – 1973) hielt hingegen Jakschs Meinung kommentarlos für „sicher irrig, denn es [Prukke] ist Brucka [Brugga] in Mittelkärnten“.16
Aus meiner Sicht ist Pircheggers Meinung, in der Urkunde von 1268 sei Töscheldorf erwähnt,17 die plausiblere. Denn erstens ist für das Jahr 1268 das herzogliche Amt Brugga (officium Pruk), mindestens bestehend aus Brugga (Prukke) bei Mölbling und St. Stephan im Krappfeld, in einem Urbar bezeugt.18 Zweitens ist die Form Prukke für Brugga in einer Urkun-de von 1269 bezeugt, wo das „Dorf Brugga bei St. Stephan am Krappfeld / villa Prukke circa sanctum Stephanum in Chraphelt“ genannt wird.19 Und drittens scheint es mir räumlich nicht abwegig, dass die herzoglichen Gründe in Töscheldorf mit jenem im Amt Brugga benachbart waren, da der Amtsbezirk auch das damals mindestens acht Huben große St. Stephan beinhaltete, sich also von Brugga Richtung Nordosten ausdehnte.20
Die zweite Erwähnung Töscheldorfs stammt aus einem Kaufbrief aus dem Jahr 1369.21 Durch den starken Pilzbefall am Brief ist es mir nicht möglich, die entscheidenden Textstellen zu entziffern. Es liegt jedoch ein sogenanntes Regest, also eine Art kurze Inhaltsangabe, eines unbekann-ten Autors vor. Demnach handelt es sich bei dem Schriftstück um ein Grundgeschäft zwischen „Kunigunde, die Ammanin [Frau eines Amtsmanns] v. Tescheldorf (Töscheldorf)“ und „Mathe von Tescheldorf“, gesiegelt von „Hans der Velsperger Richter zu Althofen“. Warum der Autor „Tescheldorf“ mit Töscheldorf gleichsetzte, ist im Regest nicht enthalten. Aus meiner Sicht spricht aber für eine solche Gleichsetzung, dass Töscheldorf bei Althofen liegt und der Richter von Althofen den Kaufbrief beglaubigte.
Wohl aufgrund dieses Kaufbriefes schlossen der Historiker Hermann Wiessner (1892 – 1992) und der Bauforscher Gerhard Seebach (1946 – 2008), dass Töscheldorf „im 14. Jh. […] Sitz eines salzb[ur]g[ischen] Amtmannes, der einem Meierhof vorstand“, war.22
Günther Jannach (Jänner 2025)
Anmerkungen
1: 1873 wurde per Knt. LGBl. 1873, Nr. 35 „Töscheldorf [...] von der Ortsgemeinde Friesach [getrennt], und die Vereinigung […] mit der Ortsgemeinde Althofen“ vollzogen.
2: Kranzmayer 1958, s. v. Töscheldorf.
3: UHS, IV, Nr. 111 = MHDC, IV, 2, Nr. 2820 u. Kaufbrief v. 1369 (KLA).
4: Pohl 2020, S. 202.
5: Nach Pfeifer et al. 1993, s. v. Dorf ist die ursprüngliche Bedeutung „Landgut, Hof, Dorf“, wobei die Autoren aus etymologischer Sicht meinen, dass „sich die ursprüngliche Bedeu-tung ‚Gebäude, Haus‘ in Abhängigkeit von der Siedlungsweise zu ‚Ansiedlung, Dorf‘ wei-terentwickelt haben könnte.“ Nach Kranzmayer 1956, S. 125 bezeichneten „die -dorf-Namen […] ursprünglich wirklich Einzelgehöfte“.
6: Nach Tauber 1993, S. 72 zeige sich die „Entrundung von /ö/ und /ö:/ […] im Bairischen seit dem 13. Jh.“. Aufgrund der Analyse von Handschriften ging Tauber 1993, S. 75 davon aus, dass „in der bayrischen Schriftsprache die gerundeten Formen meist bis ins 16. Jh. ge-mieden wurden“, anschließend setze sich schließlich die gerundete Form, also ö, durch.
7: Nach Kranzmayer 1956, S. 125 tauche mit Grafendorf ein -dorf-Name bereits im 9. Jahrhun-dert auf, Gammersdorf, Tessendorf und Albersdorf „haben damals schon existiert“.
8: Kranzmayer 1956, S. 83.
9: Pohl 2019 listete bei 156 von 311 erwähnten Ortsnamen mit dem Grundwort Dorf ein Jahr der urkundlichen Ersterwähnung. Mit Hilfe dieser Daten wurden Median, Durchschnitt und Verteilung der Erwähnungen errechnet.
10: Nach Fräss-Ehrfeld 1984, S. 173 u. 125 begann „eine besonders intensive Rodungsphase […] in Kärnten um 1100 mit einem Schub um 1150“, die „durch das enorme Bevölkerungs-wachstum vom 11. Jahrhundert an“ begünstigt wurde, wobei die Binnenkolonisation „durch die große Pest (1348/49) ein abruptes Ende“ nahm.
11: Nach Hägermann 2006, S. 391 bezeichnete das Wort villa im Mittelalter zwar „noch gele-gentlich opulente Einzelhöfe, […] „häufiger aber Dörfer, […] Siedlungsgemeinschaften oder aber schlicht Einzelgehöfte“. Da der Herzog etwas „in villa Tescheldorf de nostro predio“ verschenkt, scheint mir hier mit villa Dorf gemeint zu sein.
12: UHS, IV, Nr. 111 = MHDC, IV, 2, Nr. 2820.
13: UHS, IV, Nr. 145 = MHDC, IV, 2, Nr. 2848.
14: Jaksch 1906, S. 604 u. 617.
15: Lamprecht 1937 „fand 191 Massensiedlungen (Dörfer und Weiler) in der heutigen Steier-mark, die sich im Mittelalter nachweisen lassen, seither aber verschwanden“, wie Tremel 1946, S. 108 die Arbeit Lamprechts zusammenfasste.
16: Pirchegger 1946, S. 43, Anm. 13.
17: Nach Loehr 1934, S. 98, Anm. 14 setzte Pirchegger in einer persönlichen Mitteilung an sie „sehr überzeugend […] dieses Techeldorf mit dem kärntnerischen Töscheldorf bei Brugga […] gleich“.
18: Laut MHDC, IV, 2, Nr. 2848 / 31 hatten im Amtsbezirk Brugga (officium Pruk) unter ande-rem ein Kunz von Brugga (Chunza de Prukke) und acht Huben (mansus) in St. Stephan Abga-ben zu leisten.
19: MHDC, IV, 2, Nr. 3001.
20: Das Urbar MHDC, IV, 2, Nr. 2848 / 31 nennt acht abgabenpflichtige Huben (mansus) in St. Stephan.
21: Kaufbrief v. 1369 (KLA).
22: Wiessner u. Seebach 1977, S. 132.
Quellen
Fräss-Ehrfeld 1984 = Fräss-Ehrfeld, C.: Geschichte Kärntens – Das Mittel-alter, Klagenfurt 1984.
Jaksch 1906 = Jaksch, A.: Kommentar zu MHDC, IV, 2.
Kaufbrief v. 1369 (KLA) = Kärntner Landesarchiv: Regest aus AUR 418-B-A 574 St, 12 November 1369. In: Monasterium.net, URL: https://www.monasterium.net/mom/AT-KLA/AUR/AT-KLA_418-B-A_574_St/charter, abgerufen September 2024.
Knt. LGBl. = Landesgesetzblatt für Kärnten, Klagenfurt 1850 ff.
Kranzmayer 1956 = Kranzmayer, E.: Ortsnamenbuch von Kärnten, Bd. 1, Klagenfurt 1956.
Kranzmayer 1958 = Kranzmayer, E.: Ortsnamenbuch von Kärnten, Bd. 2, Klagenfurt 1958.
Lamprecht 1937 = Lamprecht, O.: Zur Wüstungskunde in Steiermark, In: 35. Jahresbericht des 2. Bundesgymnasiums, Graz 1937.
Loehr 1934 = Loehr, M.: Leoben – Werde und Wesen einer Stadt, Baden 1934.
MHDC, IV, 2 = Jaksch, A. (Hg.): Monumenta Historica Ducatus Carinthi-ae, Bd. IV, T. 2, Klagenfurt 1906.
Oražem-Stele 2000 = Oražem-Stele, M.: Bibliotheca Valvasoriana – Der Katalog der. Bücherei des Johann Weichard von Valvasor. In: Carinthia I, Klagenfurt 2000, S. 321 – 330.
Pfeifer et al. 1993 = Pfeifer, W. et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Berlin 1993.
Pirchegger 1946 = Pirchegger, H.: Beiträge zur älteren Besitz- und Rechts-geschichte steirischer Klöster. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Nd. 39, Graz 1948, S. 3 – 24.
Pohl 2019 = Pohl, H.: Kärntner Ortsnamenverzeichnis – Stand 10. Sep-tember 2019, Klagenfurt 2019, URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/53/Heinz_Dieter_Pohl_Kaerntner_Ortsnamen_201019.pdf, abgerufen Juni 2024.
Pohl 2020 = Pohl, H.: Kärnten | Koroška, Klagenfurt 2020.
Tremel 1946 = Tremel, F.: Zur Erforschung der Wüstungen im ausgehen-den Mittelalter. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Bd. 37, Graz 1946, S. 108 – 111.
UHS, IV = Historische Landeskommission für Steiermark (Hg.): Urkun-denbuch des Herzogtums Steiermark, Bd. IV, Wien 1975.
Valvasor 1681 (ÖNB) = Österreichische Nationalbibliothek: Valvasor, J.: Topographia Archiducatus Carinthiæ modernæ, Wagensperg 1681, URL, http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ26005370X, abgerufen September 2024.
Wiessner u. Seebach 1977 = Wiessner, H. / Seebach, G.: Burgen und Schlösser um Friesach, St. Veit, Wolfsberg, Wien 1977.